Gambia und seine Präsidenten: Ein Tagebuchbericht
10 Tage vor der Vereidigung des neuen Präsidenten und die Tage danach.
Tag 10 – 9.1.17 Montag
Morgens ins Büro gegangen. Wir haben noch weiter am Jahresabschluss gearbeitet, aber es war schwer bei der Sache zu bleiben. Heute soll das Meeting der Westafrikanischen Staatspräsidenten im Rahmen der Inauguration des neuen Staatschefs in Ghana stattfinden. Alle warten gespannt auf die Ankündigungen. Abends wurde dann mitgeteilt, dass die Ecowas-Spitzen sich am 11.1. Mittwoch mit Präsident Jammeh zu einem letzen Gespräch treffen wollen. Nun ja, wir hatten mehr erhofft.
Tag 9 – 10.1.17 Dienstag
Heute soll das Gerichtsverfahren sein, in dem Y. Jammeh die Rechtsgültigkeit der Wahl anfechten will. Von 5 Richtern war nur einer da, somit ist die Veranstaltung ins Wasser gefallen und wurde auf Mai vertagt. Das wird ihm nun auch nicht mehr helfen. Später am Abend wurde dann bekannt, dass Jammeh die Delegation der ECOWAS auf Freitag verschoben hat. Mutig der Mann. Abends eine Fernsehansprache, in der er ruhig und fast versöhnlich wirkte.
Tag 8 – 11.1.17 Mittwoch
In den Medien ist jetzt von einem Massen-Exodus die Rede. Täglich fliehen mehrere Hundert Menschen über die Grenze nach Senegal. Und immer wieder Meldungen, dass hochrangige Beamte, Minister, Offiziere, das Land verlassen.
Sonst verlief der Tag relativ ruhig, außer dass er abends dann wieder im Fernsehen sehr aggressiv war und verbal um sich geschlagen hat. Er ließe sich nicht von Ausländern sagen, was er zu tun hätte, und er wird auf keinen Fall zurücktreten. ….
Tag 7 – 12.1.17 Donnerstag
In den Schulen werden es immer weniger Kinder. Mittlerweile gehen nur noch etwa 10% der Kinder in die Schule. Nachmittags plötzlich erst in den Zeitungen, dann noch eine Sprachnachricht eines Soldaten. In der Nacht von Donnerstag auf Freitag soll es einen Palace-Coup geben. D.h. ein Minister soll Jammeh stürzen, dann die Macht übernehmen und wenn alles etabliert ist, wieder an Jammeh zurück geben. Da diese Information aber vorab veröffentlicht wurde, konnten sie den Plan nicht durchziehen.
Tag 6 – 13.1.17 Freitag
Nach der Meldung sind meine Kinder nun auch nicht mehr in die Schule gegangen. Gegen Mittag fand dann doch das Meeting der Ecowas mit Y. Jammeh statt. Am Abend sickerte dann durch, dass es total erfolglos war. Er hätte sogar Bedingungen gestellt, dass er zurücktreten würde, wenn er und 400 seiner Leute, sein gesamtes Vermögen für 20 Jahre in Ruhe gelassen würde, werde er zurücktreten. Nigerias Staatspräsident meinte dann nur, dass er nicht in der Position sei Bedingungen zu stellen. Abends reiste die Delegation dann zusammen mit dem neu gewählten Präsidenten nach Mali zu einem Treffen der France-Afrique-Meeting.
Tag 5 -14.1.17 Samstag
Adama Barrow, der neu gewählte Präsident, twitterte, dass er sehr willkommen von den anderen Staatspräsidenten aufgenommen wurde und sie alle auf seiner Seite sind. Am Rande der Gespräche wurde wohl auch über eine Militärische Intervention gesprochen. Es gab auch immer mehr Artikel in der Presse darüber. Ich war immer hinterher zu erfahren, ob es denn schon ein Mandat der UNO gäbe. Es wurde so direkt nicht gesagt, aber der Name des UNO MItarbeiters, zuständig für Westafrika und die Sahelzone Chambas, wurde immer häufiger zitiert.
Tag 4 – 15.1.17 Sonntag
Adama Barrow ist nach Senegal geflogen, und bleibt dort bis zu seiner Inauguration. Immer mehr Menschen verlassen das Land und komischerweise kommen aber auch immer mehr Touristen an. Die Flugzeuge sind voll. Paradox. In Telefonaten mit Freunden immer wieder der Rat, alle verfügbaren Eimer mit Wasser zu füllen, da in Putschzeiten immer das Wasser und der Strom abgestellt wird. Abends kam dann auch noch unser Wachmann und sagte die Ecowas Soldaten würden morgen kommen. Das ist aber noch nicht bestätigt. Kann also auch ein Gerücht sein. Den Medien aus den Vortagen war zu entnehmen, dass 800 Truppen Ecowas Soldaten an der Grenze Gambia/Senegal postiert sind.
Tag 3 – 16.1.17 Montag
Heute nach dem Aufwachen erst die Nachrichten geschaut, und ich dachte, ich sehe nicht richtig. In den Nachrichten fand ich ein Telefonprotokoll von Y. Jammeh mit Mrs. Sirleaf (die Präsidentin von Liberia und Präsidentin der ECOWAS). Er bat sie doch tatsächlich auf ihre Kollegen einzuwirken, die Vereidigung des neuen Präsidenten auf Mai zu verschieben, wenn seine Gerichtsverhandlung zur Überprüfung der Wahl stattfinden wird. Sie ist wohl zum Schein darauf eingegangen, in dem sie meinte, sie würde mit ihren Kollegen darüber sprechen. Ich habe kurz geglaubt, sie meint es ernst und habe meine Abreise in weiter Ferne gesehen. Doch nach den folgenden Nachrichten wurde dann wieder klar, dass die Vorbereitungen für einen Militäreingriff in vollem Gange sind. Das beruhigte uns wieder etwas. Dann kam plötzlich die Meldung, dass der 8-jährige Sohn von Mr. Barrow von einem Hund zu Tode gebissen wurde. Die Gambianer, misstrauischer denn je, vermuteten gleich wieder einen Plan dahinter. Kurze Zeit später twitterten Adama Barrow, dass er in Senegal bleibe. Dann wieder die Nachricht, dass sich die leitenden Militärs treffen, um das weitere Vorgehen abzustimmen. Schließlich kam mein Mann dann mit einem 100 Liter-Eimer an, der unser Wasservorrat sein soll, falls es abgestellt wird.
Heute Abend wird dann noch Brot gebacken, dann sind wir wohl ganz gut ausgerüstet. Gerade kam eine Sprachnachricht auf Whatsapp. Ein Interview mit Mrs. Sirleaf über das Telefonat am Sonntag. Sie ist entsetzt, dass Jammeh es veröffentlicht hat und hat noch einmal ausdrücklich betont, dass es dabei bleibt, dass die ECOWAS-Truppe ihre Arbeit erledigen wird.
Das tägliche Leben ist schon sehr eingeschränkt. Ein Rahmen, der das Moskitonetz meiner Kinder hält ist gebrochen, wir gehen zum Tischler, Tischler ist geflohen. Wir wollen eine Uhr reparieren lassen. Uhrmacher ist geflohen. Morgen müssen wir auch noch der Ware eines Shopkeepers Asyl geben, der Angst vor Plündereien hat.
Tag 2 – 17.1.17 Dienstag
Die Spannung steigt morgen ist der letzte Tag des Noch-Präsidenten. Die ersten Nachrichten nach dem Aufwachen … wieder sind einige Minister zurückgetreten. Das war zu erwarten, ist jetzt aber nicht so furchteinregend. Dann stieß mir noch eine Nachricht auf, dass die Nationalversammlung (Parlament) dafür gestimmt haben soll, dass Y. Jammeh an der Macht bleibt. Ein wenig Recherche und kein Wunder, von 53 Parlamentariern, sind 48 aus der Partei des Präsidenten.
Dann rief auch noch eine Freundin an und sagte, dass alle, die bei den Vorbereitungen der Vereidigung des neuen Präsidenten helfen, sofort verhaftet werden.
Nun ja, dann sind wir in unser Büro gegangen, um noch eine anständige Übergabe zu machen, schließlich plane ich immer noch am Montag zu meiner Mutter zu fliegen. Als das alles erledigt war, haben wir den Computer und alles was wichtig ist, in Kartons gepackt und haben es mit nach Hause genommen. Beim Packen des Autos, kam eine Gruppe von Kindern vorbei. Sie trommelten und sangen „Yahya Jammeh, geh, wir wollen dich nicht mehr.“
Unser Büronachbar ein Lebensmittelverkäufer bat uns, seiner Ware Asyl zu geben, da er große Angst vor Plünderungen hat. Kaum waren wir zu Hause angekommen, kamen auch schon seine Leute mit einem Taxi voller Ware, das allerdings zweimal fahren musste. Nun da auch das erledigt ist, wollte ich mich den vielen Anfragen aus Deutschland widmen, da platzte die Nachricht herein, dass ein 90-Tage Ausnahmezustand ausgerufen wurde. Was auch immer das jetzt bedeutet.
Jetzt ist es abends hier in Gambia, und ich hoffe und bete für einen ruhigen Abend und dass der Tag morgen so friedvoll wie möglich bleibt.
Morgen ist der letzte Tag der Präsidentschaft Y. Jammehs, was er nicht akzeptiert. Mal sehen, was er sich noch ausdenkt. Wenn er dann immer noch nicht zurücktritt, werden die Soldaten der ECOWAS wohl in der Nacht zum Donnerstag eingreifen.
Als ich den heutigen Eintrag zu Ende geschrieben habe, hat mich noch dieser schöne Sonnenuntergang beglückt. Vielleicht ja ein gutes Zeichen.
Tag 1 – 18.1.17 Mittwoch
Heute ist der letzte Tag des Präsidenten Yahya Jammeh, der sich selbst ja „His Excellency Sheikh Professor Alhaji Dr Yahya AJJ Jammeh Babili Mansa“ nennt. Unser Wachmann hat versucht, seine Tante zur Fähre nach Dakar zu bringen. Da Banjul aber eine Halbinsel ist, gibt es nur eine Straße dorthin. Die war bereits schon von Soldaten versperrt. Draußen ist es sehr ruhig. Wir wohnen an einer recht belebten Straße. Doch seit Stunden fährt hier fast kein Auto mehr. Alle Läden in unserer Nachbarschaft sind geschlossen. Dann kam eine Email von der Deutschen Botschaft. Erst eine kurze Erläuterung der Situation, dann der Hinweis, sich mit allem Nötigen zu versorgen (bisschen spät), sich für eine eventuelle Evakuierung bereitzuhalten. Zum Schluss noch die Feststellung, dass es den Ausnahmezustand gibt und bis jetzt keine Ausgangssperre verhängt wurde, es aber noch kommen kann. Aber man solle besser sowieso nicht das Haus verlassen. Gegen Abend dann noch die Nachricht, dass auch die Vizepräsidentin zurück getreten ist, und dass der Mauretanische Präsident mit Jammeh zusammen getroffen ist. Vermutet wurde, um ihn ein weiteres Mal vom Rücktritt zu überzeugen. Sehr viel später ist dann bekannt geworden, dass Jammeh ihn gerufen hat, um wieder einmal mit ihm einen Deal auszuhandeln. Er möchte mit seinem Vermögen und seinen Angehörigen auf seiner Farm in Ruhe gelassen werden. (Kurze Zusammenfassung). Mohamed Ould Abdel Aziz sollte mit dieser Forderung zum Senegalesischen Präsidenten Macky fliegen und für ihn betteln. Die Antwort war, die Truppen stehen bereit. Dann wieder Stille und warten.
Ab 0.00 Uhr ist Yahya Jammeh nicht mehr Präsident von Gambia. Ich bin extra bis 1 Uhr wach geblieben, weil ich hoffte, dass nun irgendetwas passiert, dass uns aus dieser Warteposition holt. Aber nichts da.
Vereidigung von Adama Barrow – 19.1.17 Donnerstag
Morgens um 5 Nachrichten geschaut. Nichts hat sich getan. Es ist immer noch sehr ruhig. Langsam tröpfeln Informationen ein. Die Vereidigung des neuen Präsidenten wird um 16 Uhr in der Gambischen Botschaft in Dakar stattfinden. Vermutlich um Barrow zu schützen. Dann wieder Stille. Dann die Nachricht, dass Barrow mit Jammeh Kontakt aufgenommen hat, um sein Verständnis für die gambische Bevölkerung zu erbitten, dass es besser wäre, es gäbe kein Blutvergießen und kein Verlust von Eigentum. Keine Chance. Nun sitzen wir wieder und warten. Im wieder Meldungen, dass die Truppen bereit sind, aber passieren tut nichts. Telefonate mit Freunden, einige haben nicht vorgesorgt, und haben jetzt nichts zu Essen. Wir haben ihnen dann einiges angeboten, aber da sich ja keiner auf die Strasse traut, schwierig. Unsere Büroleiterin hatte mir mal erzählt beim letzten Putsch haben sie 5 Tage von Sardinen und Zwiebeln mit Reis gelebt. Wäre ja eine Alternative.
Gerade haben wir versucht über das Internet die Inauguration zu verfolgen, aber es waren knapp 4000 Menschen im Internet unterwegs und dazu war unseres zu schwach. Schade, aber immerhin, es passiert etwas.
Zwischendurch immer wieder Meldungen über die Armeen der Senegalesen und Nigerianer, Videos über ihr Material und ihre Truppenstärke. Insgesamt sollen 7000 Soldaten im Aufgebot sein.
Kurz nach 18 Uhr dann die Meldung „Senegalesische Soldaten rücken in Gambia ein“. Ich hatte bis zu dem Moment nicht gewusst, dass man sich so über Soldaten freuen kann. Dank Twitter und Co, kamen dann auch bald die ersten Videos. Dann plötzliche ein Twitterkommentar „ein tiefliegendes Flugzeug über Banjul, gambische Soldaten rennen vor Schreck in das nächste Krankenhaus“. LoL
Einige Gambier posten Videos aus ihren Gegenden. Menschenleere Straßen, selbst die Hauptverkehrsstraße in Gambia menschenleer.
Dann wieder Bilder wie im Statehouse die Bilder des alten Präsidenten abgenommen werden und die neuen aufgehängt. Sehr symbolisch.
Tag 1 danach – 20.1.17 Freitag
Nach dem Aufwachen, keine großen Veränderungen der Nachrichtenlage, außer dass Jammeh ein Ultimatum gestellt wurde. Bis 12 Uhr soll er das Land verlassen. Zumindest in unserer Familie löste das etwas Entspannung aus.
Dennoch immer wieder Bilder von den fliehenden Gambiern. Insgesamt sollen 45.000 Gambier das Land verlassen haben. Bilder sowohl der Europäer, die sehr gesittet mit dem Flieger ausreisen, als auch Bilder von vollgepackten Autos mit Sofas und Tischen auf dem Taxidach und Bilder der völlig überfüllten Fähre. Da kommen schnell mal Gedanken auf, ob es nicht gefährlicher auf der Fähre ist, als zu Hause zu bleiben.
Dann wurde ein Bild gepostet, das die Militäreinsatzkarte zeigt, von welchen Seiten sie mit welchen Fahrzeugen, bzw. Hubschraubern und Schiffen einrücken. Bedrohlich.
Plötzlich hieß es, der Präsident von Guinea und Mauretanien sind für diplomatische Gespräche. Was daraufhin auch nicht ausblieb, dass sich mal einer Gedanken über die Kosten gemacht hat. Die ganze Reiserei der Präsidenten und des UNO-Personals hat bis zum heutigen Zeitpunkt die 1 Mio-Dollar-Marke bereits überschritten. Das Geld hätte man wahrlich sinnvoller einsetzten können. Gerade in Gambia einem der 20 ärmsten Länder der Welt. Aber wie Y. Jammeh ja immer wieder betont „er möchte nur das Beste für sein Land und die Gambier.“
Das Ultimatum verstrich und nichts passierte, dann ein neues Ultimatum 16 Uhr. Wieder hörte man nichts.
Dann gegen 18.18 Uhr wurde getwittert, dass Jammeh eingewilligt hat, zurückzutreten, und zwar von einem Account, der Adama Barrow heißt. Er hätte wohl noch versucht Bedingungen herauszuschlagen, aber als Nichtmehr-Präsident und Privatperson, hat er da schlechte Karten. Das hätte er sich früher überlegen müssen. Nur Minuten später hieß es dann, das wäre ein Fake-Account und die Nachricht sei nicht bestätigt. Blöd nur weil inzwischen Al Jazeera, BBC und viele andere sich auf diesen Post beriefen. Später dann eine ähnliche Nachricht von Präsident Barrow richtigem Account. Nun war alles durcheinander. Zu guter Letzt die Meldung, dass es später am Abend eine Rede Jammehs im Fernsehen geben würde. Bis wir schlafen gingen, kam aber nichts. Ganz schön nervenaufreibend, die ganze Angelegenheit.
Tag 2 – 21.1.17 Samstag
Um 5 aufgestanden, kurz vorher wurde wohl die Rede gehalten. Ich habe sie mir dann in einem Artikel durchgelesen und war schlichtweg entsetzt.
Sagte er doch tatsächlich, dass er immer nur das Beste für die Gambier wollte, er hätte nie im eigenen Interesse gehandelt etc. In meinen Augen gab es nicht ein ehrliches Wort in dieser Rede. Das Schlimmste aber ist, er ist immer noch im Land und viele Leute haben immer noch Angst, dass er noch einen Plan hat, dem Land und seinen Bewohnern zu schaden. Alle wäre wesentlich beruhigter, wenn er endlich nach Guinea, was vermutlich seine neue Heimat sein wird, ausreisen würde.
15.30 Uhr: Gerade kam die Nachricht, dass er wohl das Statehouse verlassen habe, und auf dem Weg zum Flughafen sei. Ich suche noch nach einer Bestätigung, dann kann ich auch diesen Artikel abschließen. Doch auch das war wieder eine Falschmeldung. Einige Journalisten bewegten sich ständig zwischen Statehouse und Flughafen. Sie twitterten um die Wette. Und dann endlich die erlösende Nachricht von seiner Abreise nach Äquatorial Guinea. Sogar mit Fotobeweis. Wie später noch mitgeteilt wurde, reiste er mit zwei Flugzeugen ab. Eins für ihn und seine 50 Gefolgsleute und ein anderes für sein Gepäck. Nun ja. Subhanallah, welch aufregende Tage liegen hinter uns. Wir waren Zeugen eines historischen Ereignisses.
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