Krankheiten, die keiner kennt, zumindest nicht in Deutschland. Vielleicht wird der eine oder andere schon von ihnen gehört haben, aber in der Fülle, in der sie hier auftreten, bestimmt nicht. Da ich kein Arzt bin, kann ich mir die Herkunft und Häufigkeit der Krankheiten nicht erklären, aber dennoch ist meine Verwunderung immer wieder groß.
Bevor ich zu den „großen“ Krankheiten kommen, erst einmal etwas zu den kleinen Blessuren. Ich schreibe darüber, um einfach einmal den Unterschied aufzuzeigen, wie Menschen ob Nordhalbkugel oder Südhalbkugel unterschiedlich mit Krankheiten oder Blessuren umgehen.
Eine kleine Geschichte dazu:
Bei einem unserer letzten Besuche in Kuloro (Moscheebau) kam mir Serah entgegen, eine Frau, die mich immer my „berry, berry good friend“ nennt. Sie in ihren Flip Flops, von denen einer kaputt war, und sie ihn deshalb bei jedem Schritt fast verlor. Instinktiv schaute ich auf ihre Füße. Ein Zeh war mit einem Blatt umwickelt. Als ich sie fragte, was das ist, zeigte sie mir eine schon weit fortgeschrittene Infektion. Ich wollte dann wissen, ob sie zum Arzt gegangen ist. „Nein“, das könne sie sich nicht leisten. Die Kosten dafür stellen sich etwa wie folgt dar:
- Fahrt zum Krankenhaus und zurück (Hausärzte gibt es so gut wie gar nicht): 1€
- Einschreibegebühr: 0,50€
- Behandlung: Kostenlos
- eventuell Labor: 0,50€
- Medikamente: ca. 5€ Das macht zusammen ca. 7€
Bei 30€ niedrigstem Einkommen, eine kaum zu nehmende Hürde. Also wird ein Blatt um den Zeh gewickelt und gebetet. Nicht zu vergessen die Wege, die zurückgelegt werden müssen. Da es nur Kliniken, aber keine niedergelassenen Ärzte gibt, musst du in ein Krankenhaus. Das heißt lange warten, da vor dir in der Regel eine lange Schlange ist.
Was machen wir nun in einem solchen Fall?
Wir suchen in unserer Hausapotheke nach einer Wundsalbe, schlucken vielleicht homöopathische Kügelchen und desinfizieren die Wunde. Wenn es ganz schlimm wird, lassen wir uns beim Hausarzt Antibiotika verschreiben. In der Regel kostenlos und frei verfügbar.
Soweit zu den kleineren Krankheiten.
Doch was, wenn du einer der zum Teil in Deutschland völlig unbekannten Krankheiten wie Elephantiasis, Hydrozephalus oder Kropf hast. Dann hast du in Gambia ein Problem. Denn diese Krankheiten sind in Gambia nicht heilbar. Wenn du Glück und Geld hast, kannst du eine Behandlung in Senegal anstreben, oder ein Verein schafft es einen Spezialisten aus Europa ins Land zu bekommen. Anderenfalls bist du deinem Schicksal ausgeliefert.
Elephantiasis:
Elephantiasis ist eine Lympherkrankung, bei der das Lymphwasser nicht mehr ablaufen kann. Die Arme und/oder Beine schwellen auf ungeahnte Größen an, und die Betroffenen sind mehr als gehandicapt. Drei Frauen unserer Bedürftigen haben diese Krankheit, und sie berichten auch von starken Schmerzen, die wahrscheinlich der Druck des Wassers in den Gefäßen auslöst. Wir haben schon mehrere Ärzte in Deutschland angeschrieben, einige waren auch im Prinzip bereit zu kommen, haben dann aber leider wieder einen Rückzieher gemacht. Wir bleiben aber dran und versuchen es weiter. Wer von den Lesern vielleicht einen Lymphologen kennt, darf ihn gerne fragen, ob er vielleicht in Gambia helfen möchte.
Das sind die Beine einer Frau, die wir betreuen. Sie bekommt jeden Monat einen Sack Reis, weil sie sich nicht selbst versorgen kann. Ihre Tochter kam ihr Fleisch zum Fest abholen und zeigte uns dann die Verschlimmerung ihrer Beine. Sie braucht pro Monat 20€ Medikamente, die sie aber nicht hat. Wenn sie mit den Medikamenten aufhört, werden die Beine sofort dicker.
Hydrozephalus:
Hydrozephalus (auch Wasserkopf genannt) ist eine Wasseransammlung im Gehirn. Das Hirnwasser kann nicht abfließen und lässt den Kopf auf Übergröße anschwellen. Je nach dem in welcher Region des Gehirns es passiert, haben die Patienten, meist Kinder, entsprechende Ausfälle. Die Lösung ist hier, einen Shunt einzusetzen. Er pumpt das Hirnwasser in den Magen, um von dort ausgeschieden zu werden. Diese OP kann in Senegal für sehr viel Geld durchgeführt werden. Wir haben sogar auch schon einen Arzt in Deutschland gefunden, der in Gambia operieren würde, doch das deutsche Krankenhaus hier reagiert leider nicht mehr auf seine emails. Ich werde mich mal umschauen, wie wir es sonst noch organisieren können.
Diesem kleinen 2 Monate altem Mädchen wollten wir sogar helfen, nach Deutschland zu kommen. In Deutschland hatte ich meine Recherchen gemacht. Dabei lernte ich den Arzt kennen, der bereit ist nach Gambia zu kommen. Gott sei’s gedankt. Leider verstarb das Baby kurz nach meiner Rückkehr nach Gambia.
Kropf:
Kropf ist eine Vergrößerung der Schilddrüse durch Jodmangel. Nun werdet ihr euch bestimmt fragen, direkt am Atlantik mit den ganzen Fischen vor Ort, wie kann da jemand Jodmangel haben. Was wir bisher herausgefunden haben ist, dass es zum Teil Frauen sind, die nicht in Gambias Küstenregion aufgewachsen sind. Unser erster „Fall“ kam aus Guinea im Landesinneren und der jetzige „Fall“ ist Senegalesin, ich weiß aber nicht genau, wo sie geboren ist. So kann es eventuell ein Schaden sein, den sie schon aus der Kindheit mitbringen. Dann gab es da noch ein anderes Erlebnis. Kürzlich kam eine junge Frau, die für Unicef arbeitet zu uns und wollte eine Umfrage machen. Am Ende nach gefühlten 100 anderen Fragen kam sie dann zum Thema Salz. Sie bat uns unser Salz testen zu dürfen. Ich brachte ihr die Salzpackung, sie streute etwas auf ein Stück Papier und träufelte 2 Tropfen einer Flüssigkeit darauf. Das Salz verfärbte sich blau, und sie strahlte. Dann erklärte sie, dass unser Salz genug Jod hätte. Auf meine unschuldig dumme Frage, ob es denn auch Salz ohne Jod gäbe, antwortete sie, dass man loses Salz billig auf dem Markt kaufen kann, das quasi ein Abfallprodukt der Industrie ist. Dort sind so gut wie keine Nährstoffe mehr enthalten.
Mit diesen und vielen anderen Beispielen wird wieder einmal gezeigt, dass Gesundheit anscheinend doch ein Privileg des Geldes ist.
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