Ein spannender Tag ging gestern um 19 Uhr für mich zu Ende. Ich durfte einen tiefen Einblick in die gambische Kultur haben, und war selbst sehr überrascht wie auch bei mir die Emotionen entgegen jeder Vernunft die Oberhand gewinnen können. Eigentlich bin ich ein sehr rational eingestellter Mensch, doch gestern habe ich eine andere Seite von mir kennengelernt.
Doch nun von Anfang an. Letzte Woche kam Mr. Bojang zu uns. Er erklärte uns, dass die Frauen von Bakau zu ihm gekommen sind, um ihn als Vater für ihr Projekt zu gewinnen. Das wird hier häufig so gemacht, dass die Personen, die nicht lesen und schreiben können, sich einen Verwalter nehmen. Sie baten ihn, ihnen dabei zu helfen, eine Reismühle zu kaufen.
Er erklärte sich dann bereit, für ein Jahr die Betriebskosten wie Strom, den Verwalter der Maschinen, seine Unterkunft und sein Essen zu bezahlen. Nun hat sich die Bank beschwert, dass die Rückzahlungen nicht pünktlich geleistet werden, und haben ihnen ein Ultimatum von 2 Wochen gegeben.
Um einen Überblick über die Situation zu bekommen, verabredeten wir uns dann am Montag bei seiner Arbeit. Er besitzt eine der wenigen Sehenswürdigkeiten in der Gegend hier. Das Kachikally Crocodile Pool.
Neben dem Museum, das er eingerichtet hat, mit den typischen Instrumenten des Landes und vielen Fotos gibt es eben auch den Pool mit vielen Krokodilen. Einige sind zahm andere nicht.
Für unser Gespräch wurde ein kleiner Platz bereitgestellt, direkt am Pool. Bei unserer Ankunft lagen noch 5 Krokodile in Stuhlnähe. Eins drehte sich dann irgendwann um, und fixierte uns. Komisches Gefühl in Nachbarschaft von Krokodilen ein Meeting abzuhalten. Mit einem Bittgebet fing das Meeting dann pünktlich eine Stunde zu spät an.
Anwesend waren die Frauengruppe (Kafo auf Mandinka) Mr. Bojang, unsere NGO Mitarbeiter und der Herr vom Geldinstitut. Folgendes ist in dem Gespräch herausgekommen.
Die Verhandlungen mit dem Mann von dem Geldinstitut führten die Frauen, alles Analphabetinnen selbst. Sie bekamen die knapp 1500€ mit der Auflage, sie in 6 Monaten zurückzuzahlen. In zwei Wochen sind die 6 Monate um, und die outstanding Balance ist noch 1290€, obwohl sie mehrere Einzahlungen gemacht haben.
Das Geldinstitut ist spezialisiert auf Mikrokredite für die Landwirtschaft, aber ich bin der Meinung, dass sie die Frauen über den Tisch gezogen haben. Insgesamt sind es 24 Frauen. 3 haben den Vertrag unterzeichnet. Nach den Praktiken seines Institutes gefragt, wand er sich gestern wie ein Aal im Wasser, denn er kommt auch aus Bakau und kennt die meisten der Frauen persönlich. Ich persönlich kann nicht verstehen, wie ein Institut, das auf solche Projekte spezialisiert ist, weder nach der zu bearbeitenden Hektarzahl für die Produktion gefragt hat, noch nach dem zu erwartenden Ertrag. Die nächste Maschine ist ca 1,5 Stunden mit den öffentlichen Verkehrsmitteln entfernt, daher schien es eine wirklich gute Investition zu sein. Wenn die Maschine dann einmal bezahlt ist, mag es eine sinnvolle Angelegenheit sein. Ihr Traum ist es, dass die Maschine dann vielleicht auch noch Geld abwirft, um Dünger und Samen zu kaufen. Denn alle Frauen haben neben ihrem Reisfeld auch noch einen Garten zu bewirtschaften.
Doch Tatsache ist, wenn das Geld in 2 Wochen nicht auf dem Tisch liegt, werden sie einen Rechtsanwalt beauftragen, die Reismühle wird konfisziert und den Frauen wird ein Ultimatum gestellt. Wenn sie es nicht erfüllen können, und sie versicherten uns glaubhaft, (denn 4 von ihnen sind unsere Reiswitwen), dass keine von ihnen noch nicht einmal 10€ besitzt, könnte am Ende könnte ein Gefängnisaufenthalt dabei herauskommen. So ernst ist die Lage, daher sind sie zu uns gekommen, und haben dringend um Hilfe gebeten.
Wir prüfen das Ganze jetzt, glücklicherweise haben wir einen Verwandten, der sich sehr gut auskennt und schauen nach Möglichkeiten zu helfen. Ich habe auch schon eine Idee, aber wir wollen die Prüfung erst abwarten. Mit einem weiteren Bittgebet und einem Gruppefoto endete das Meeting dann.
Wirtschaftlich macht das Ganze vielleicht gar keinen Sinn, aber die Frauen sind so eine tolle Gruppe und halten zusammen, gehen durch dick und dünn. Dieses Kafo gibt es schon sehr sehr lange und ist eine Generationenangelegenheit. Ich fühle einfach so tief für diese Frauen, und Gefängnis wäre wirklich gar keine Alternative. Wir setzen jetzt alles daran ihnen zu helfen. Bei unserem Vorgespräch habe ich Mr. Bojang gesagt, dass wir gerade einen Container schicken, der viel Geld kostet, wir wollen Kurban ausgeben, für das wir auch Geld sammeln, ob wir das Ganze nicht auf nach Id-ul-Adha verschieben können. Nicht wissend, was am Montag alles an Tageslicht kam, stimmte er erst einmal zu, doch nun wissen wir, dass sie noch 2 Wochen Zeit haben. Subhanallah.
So Gott will, finden wir eine Lösung. Ich habe auch schon eine Idee. Bitte versteht diesen Artikel nicht als Spendenaufruf. Er soll nur mal wieder die Hintergründe meiner Arbeit aufzeigen und um Verständnis für die Menschen in der ärmeren Region der Welt bitten.
Danke, dass du diesen Artikel zu Ende gelesen hast. Meine Absicht ist es stets, euch die gleiche Möglichkeit zu geben, durch Erfahrungen, die außerhalb unserer Komfortzone liegen zu wachsen. Ich genieße diese Erlebnisse jeden Tag aufs Neue und würde mir wünschen, dass mehr und mehr Menschen über den Tellerrand schauen. Nur so können die Menschen zusammenrücken und im besten Sinne von einander lernen.
Das Museum
Die Krokodile bei unserer Ankunft
Das Meeting
Im Vordergrund meine Stuhllehne. Dieses Krokodil fixierte mich die ganze Zeit. Aber da ich euch jetzt diesen Artikel geschrieben habe, habe ich es also überlebt. Alhamdulillah.
Gruppenfoto
Das ist nun die Reismaschine, um die es geht
P.S. Übrigens, klingt komisch, dass unsere Reis-Witwen selbst Reis herstellen, doch dieser Reis ist Mandinka Reis, ein sehr besonderer hochwertiger Reis, den man nur für bestimmte Gerichte verwendet. Den Broken Rice, den sie von uns bekommen, ist der Reis, der hier morgens, mittags und abends gegessen wird.