Wie jeden Ramadan, seit Jahren schon, verteilen wir Iftarpakete an die Ärmsten der Bevölkerung. Da trotz Inflation, Krieg, Corona, die Pakete immer mehr werden – Gott sei’s gedankt – wird natürlich auch die Arbeit immer mehr. Dieses Mal waren wir vier Tage und drei Nächte im Einsatz.
Tag 1 – Der Einkauf – 20.03.
Der Einkaufstag begann ca. um 9 Uhr. Wir fuhren ins Büro und haben noch einmal alles durchkalkuliert.
In der Hauptstadt Banjul bei der Bank warteten wir geduldig auf die Geldwechsler. Einer der beiden stand dann eine gute Stunde mit dem Bankangestellten, und sie zählten mit einer Maschine die knapp 2.000.000 Dalasis, die sie uns gewechselt hatten. Die Euros wurden natürlich auch noch gezählt. Doch sie waren im Vergleich zu den Dalasis ein eher kleinerer Haufen.
Anschließend liefen wir zu dem Laden, bei dem unser Mitarbeiter die Preisabfrage gemacht hatte. Außer Tee war alles ausverkauft. Ebenso beim nächsten, nächsten und nächsten Laden.
Als wir so durch die Straßen irrten, von denen für mich eine genauso wie die nächste aussah, weil sie gefühlt alle das Gleiche verkauften, schwand mir langsam der Mut. Die Menschen auf der Strasse sagten immer wieder, wir sollten zu Picton gehen. Ok, dann haben wir das gemacht. Er hatte immerhin Datteln, Milchpulver und das Öl. Seine Empfehlung war der Laden nebenan.
Und tatsächlich, er hatte alles andere. Alhamdulillah. Als ich so vor dem Laden stand, dachte ich Moment mal, den kenne ich doch. Das war der Laden, in dem wir unseren monatlichen Reis kaufen. Subhanallah. So viel umhergeirrt, dass ich komplett die Orientierung verloren hatte.
Interessant ist, dass die Großhändler fast alle Mauretanier sind. Als dann alles erledigt war, sind wir zu einem mauretanischen Restaurant gegangen und haben unsere Crew zu Hühnchen und Schawarma eingeladen. Anschließend führte unser Weg zu den Lieferwagen. Einer von uns sollte mitfahren, um den Weg zu zeigen. Es waren zwei Mercedesbusse. Aber der Platz reichte nicht aus, und sie mussten einen Lkw holen.
Schließlich erreichte der Lkw die Schule. Nun sollten Hunderte Kartons ihren Weg in das Verwaltungsgebäude der Schule finden. Da der Lkw nicht auf dem Schulgelände parken konnte, und der Weg zum Verwaltungsgebäude recht weit ist, war ich gespannt, wie sich dieses Problem lösen lässt. Während ich noch darüber nachdachte, kamen plötzlich gefühlt alle Frauen aus der Umgebung zum Helfen. Ob Baby auf dem Rücken, Schulkind oder übergewichtig, sie haben alle geholfen und viel Spaß dabei gehabt. Morgen möchten sie wiederkommen und beim Packen helfen.
Tag 2 – Das Packen – 21.03.
Zunächst fing alles ganz klasse an. Karin, eine liebe Freundin aus der Schweiz koordinierte das Packen, damit es möglichst ökonomisch ablief. Die Kartons wurden nach Schwere der Artikel geordnet und dann an jedem Produkt eine Helferin positioniert, die den Vorbeilaufenden jeweils einen Artikel in ihre Tüten legten. Zwischendurch packten noch einige der Zucker ab.
Ich organisierte derweil die fertig gepackten Pakete im Büro. Denn 500 sollten an unsere Mitglieder ausgegeben werden und der Rest an andere arme Familien. Zwischendurch eilten wir noch durch die Stadt, um den Kaffee und die Butter für die Pakete zu finden, was uns auch gelang. Der Händler sicherte und die Lieferung am selben Tag um 14 Uhr zu. Leider kamen sie dann aber doch erst um 17 Uhr – zu spät zum Einpacken. 42 Kartons mit Öl fehlten noch aus der letzten Lieferung und der Tee war zu wenig, weil der Shopkeeper übersehen hatte, dass nur 12 Pakete statt 24 in einem Karton waren. Ach ja und dass ein 50 kg Sack Zucker nur etwa 45 Kg enthält, wusste ich auch nicht, daher war auch der Zucker zu wenig. Eine späte Erkenntnis in den Abendstunden. Zwei Mitarbeiter sind noch schnell los, um weitere sechs Zuckersäcke zu kaufen. Aber gut, Fehler sind dazu da, um daraus zu lernen.
20 Seiten Mitgliederliste telefonierten unsere Mitarbeiter so ganz nebenbei noch durch.
Status quo nach dem Packtag: Einige Kartons Öl, Kaffee, Butter und sechs Säcke Zucker sind noch unverpackt. Der fehlende Tee, Kaffee und die Butter sind noch nicht geliefert.
Tag 3 – Die erste Ausgabe – 22.03.
Bei der Ankunft am Schulgrundstück erwartete uns schon eine große Menschenmenge. Einige sagten, sie wäre schon seit sechs Uhr dort.
Schnell noch die am Vorabend geholten sechs Zuckersäcke abgepackt und in die Pakete verstaut. Die fehlenden Tee- und Butterkartons wurden dann auch noch zeitnah geliefert.
Die 20-Seiten-Liste in zwei geteilt, damit unsere beiden Mitarbeiter sie bearbeiten können, und der erste Versuch, die Tür für zehn Mitglieder zu öffnen, konnte beginnen. Doch die Tür dann wieder zuzumachen, entpuppte sich als ein Problem. Langsam kamen sie rein, zeigten ihre Mitgliedskarte, wurden auf der Liste abgehakt und bekamen ihr Paket.
Das Öffnen und Schließen der Tür gestaltete sich zunehmend als ein Problem. Doch die Menge drückte von außen gegen die Türen. So war es selbst für die drei Polizisten kaum zu bewältigen und für die EmpfängerInnen schwer hinauszugehen.
Schließlich schafften es einige Personen das Tor aufzudrücken und viele der Wartenden strömten hinein. Sie platzierten sich dann vor unserem Büro und schrieen so laut, dass wir uns kaum noch verstanden haben.
Weder die Polizisten noch unsere Sekretärin mit ihrer lauten Stimme konnten die Masse dazu bewegen, wenigstens unter das Zelt zu gehen, damit wir in Ruhe weitermachen können. Doch was wir auch versuchten, kein Erfolg.
Als nichts wirklich gegriffen hatte, versuchte ich mein Glück. Ich ging hinaus und bat sie erst freundlich, doch bitte unter das Zelt zu gehen. Nichts passierte, sie blieben wie angewurzelt stehen. Dann etwas lauter. Nichts. Schließlich sagte ich: „Wenn ihr euch nicht benehmen könnt, bringe ich die Pakete nächstes Jahr ins Dorf“.
Plötzlich ging es. Aber kaum habe ich mich umgedreht, waren sie wieder da. Später hörte ich dann immer, wenn ich aus der Tür trat, „Toubabo kanale“ (Die Deutsche kommt). Mehrmals habe ich angedroht, dass wir die ganze Aktion abbrechen. Aber sie haben uns nicht geglaubt.
Im Team haben wir dann noch diskutiert, wie es weitergeht. Denn das Push-and-Pull an der Tür hat dazu geführt, dass wir nur 300 Pakete ausgeben konnten. Immer wieder haben wir die Tür geschlossen, um uns selbst zu schützen.
Später wurde dann noch Domoda für uns gekocht. Eine Art Gulasch mit Erdnussbutter. Lecker, mein Lieblingsgericht.
Den folgenden Tag legten wir eine Pause ein, zum einen, um uns auszuruhen, zum anderen, damit sich die Situation etwas beruhigt. Wir stehen vor einer großen Herausforderung, die Masse zu kontrollieren. Morgen geht es dann in shaa Allah weiter. Vielleicht mit einem etwas anderem Konzept.
Tag 4 – 24.03.
Heute versuchen wir es mit einem anderen Konzept. Ich habe Nummernkärtchen gedruckt, die dann draussen verteilt werden sollten.
Bei unserer Ankunft stand wieder eine lange Schlange Menschen vor der Tür. Zwei unserer Helfer hatten draussen vor und hinter dem Haus geschlafen, um die Pakete nachts zu bewachen.
Zunächst mussten noch einige Pakete mit der Ware vervollständigt werden, die am Vortag angekommen ist. Die Kartons von den Tagen davor waren bereits verbrannt, doch die Kinder freuten sich über die neuen Kartons zum Spielen.
Draussen verteilte unser Mitarbeiter die ersten Nummern, und die Wartenden wurden in 10-Gruppen hereingelassen. Auch die Polizei war wieder dabei. Diesmal auch zwei hübsche Polizistinnen. Der Chef vom NGO Office Affairs Büro der Regierung kam ebenfalls vorbei und konnte seinen Augen nicht trauen. Er versprach auch Hilfe für das nächste Mal. Es kamen Gedanken auf, ob wir die Verteilung vielleicht im Soldaten-Camp machen sollen. Dann hätten wir vielleicht ausreichend Schutz und Sicherheit, unsere Aktionen durchzuführen.
Das Verlassen des Grundstücks stellte sich dann aber doch wieder als Problem dar. Sie schubsten und drängelten und einige Verletzte und gequetschte Hände gab es auch. Einige ältere, kranke Männer, Schwangere und Frauen mit Babys mussten von den Polizisten in Sicherheit gebracht werden.
Doch zunächst lief alles sehr gesittet ab. Die Frauen kamen mit den Nummernzettelchen herein, setzten sich auf die Stühle, warteten bis sie dran waren, nannten ihren Namen, Fingerabdruck und fertig. Dann kam die Meldung vom Haus, dass die Pakete für die Nicht-Mitglieder alle ausgegeben sind.
Ich eilte dorthin, um mir einen Überblick zu verschaffen, wie viele insgesamt noch da waren, und als ob sie es draussen gehört haben, stürmte die Masse dann wieder das Tor und einige Hundert Menschen standen wieder im Grundstück. Eine halbe Stunde haben wir versucht, ihnen zu erklären, dass keine Pakete mehr da sind, und sie haben uns nicht geglaubt.
Mittlerweile war auch Gebetszeit und der Plan war eigentlich, dass wir alle unter dem Zelt beten, doch dieser Plan hatte sich nun zerschlagen. Wir sind dann in unsere Geschäftsstelle geflüchtet, die einige Strassen weiter ist, um dort zu beten. Ein Helfer von uns war bei den Paketen geblieben, und rief uns eine Stunde später an, dass die Menge sich immer noch nicht verzogen hat und auf mehr Pakete wartete. Erfahrungsgemäß werden jetzt noch mindestens drei Tage die Menschen dort stehen und warten, bis sie begriffen haben, dass es tatsächlich nichts mehr gibt.
Die Pakete, die noch für unsere Mitglieder zurückgehalten wurden, bringt mein Mann jetzt jede Nacht in kleinen Portionen persönlich mit dem Auto zu den Alten und Kranken, die nicht allein kommen können.
Völlig erschöpft, fuhren wir dann nach Hause. Auf dem Rückweg kauften wir dann noch ein paar Kleinigkeiten für das Fastenbrechen ein. Ein uns unbekannter Mann sagte dann plötzlich zu der Kassiererin, dass er unseren Einkauf bezahlt, und er war nicht davon abzubringen. Subhanallah.
„… Und was ihr an Gutem spendet, soll euch erstattet werden …“ (Sure Baqara, Vers 272)
Dass es so schnell geht, hatten wir jedoch nicht erwartet.
Alles in allem waren es sehr aufregende Tage, mit vielen glücklichen Gesichtern, aber auch mit einigen Enttäuschungen. Ein paar Tage Ruhe haben wir uns jetzt gegönnt. Bis es am Mittwoch weitergeht.
Tag 5 – 29.03. Bürotag
Heute werden wir im Büro einen Kassensturz machen und das ganze Projekt und seine Umsetzung evaluieren. Organisatorisch müssen wir noch einiges ändern, damit die Pakete möglichst stress- und verletzungsfrei zu den Ärmsten der Armen kommen.
Möge Allah uns noch viele weitere Möglichkeiten geben, auf eine ruhige und entspannte Art zu helfen. Amin.
Hier noch eine kleine Fotostrecke, die die Eindrücke noch besser wiedergeben.

Das gespendete Geld in Dalasi

Der Einkauf – endlich den richtigen Laden gefunden

Der Tee wurde als erstes geliefert

Das Entladen des Trucks

Alle wollten helfen


Der Zucker wird abgepackt

Auch die Jüngsten wollten mithelfen

Die Packstationen

Alle Räume des Verwaltungsgebäudes voll mit Paketen

Auch die Kinder hatten ihren Spaß

Die Helfer

Die ersten Abholer warteten seit 5 Uhr morgens

Wir brauchten Polizeischutz


Für die Helfer wurde gekocht

So transportierten sie Pakete nach Hause
Doch es gab noch viele andere, die auch ein Paket haben wollten.
Ein großer Dank an alle Spender, die dieses Ereignis möglich gemacht haben.
Möge Allah ﷻ es euch mehrfach erstatten.