Zum Inhalt springen

Leben mit Analphabeten

  • von

Das Leben in einem Land mit 30-40% Analphabeten unterscheidet sich schon sehr von dem in einem Industrieland. Da gibt es für unsereins viel zu lernen. Die Übermittlung von Informationen und damit auch die Art der Information muss in vielen Fällen völlig neu überdacht werden. So spielt beispielsweise das Radio in Gambia noch eine sehr große Rolle. Da das Radio seit je her nicht zu meinem gewohnten Umfeld gehört, vergesse ich es oft. Bemerke dann aber immer wieder, wenn ich auf bestimmte Sendungen hingewiesen werde, wie interessant es doch sein kann.

Viele junge Menschen, mit neuen erfrischenden Ideen sprechen dort, Institutionen, die junge Menschen in die Selbständigkeit führen wollen, stellen sich vor, und religiöse und spirituelle Themen werden dort diskutiert. Selbst Ernährungsberatung habe ich schon gehört. Immer wieder überraschend für mich, wenn ich mich gerade so schön eingehört habe, dann die Aufforderung an den Sprecher nun noch einmal alles in eine der 8 gambischen Sprachen zu übersetzen. Ich frage mich dann immer, wer bis jetzt auf englisch zugehört hat und nichts verstand, ist der noch dabei?

Diese Frage habe ich dann mal meinen Mitarbeitern gestellt. Und tatsächlich. Da alle wissen, dass irgendwann eine Übersetzung kommt, hören sie artig zu bis ihre Sprache kommt. Wie viel Geduld man dabei lernen kann!

Es gibt aber auch noch eine andere immer wieder schöne Begebenheit, die hier mit einer solchen Selbstverständlichkeit durchgeführt, dass es mich immer wieder rührt. Wenn eine ältere Frau in unser Büro kommt, um einen Antrag zu stellen und sie wird nach ihrem Alter gefragt, dann geht es los. Ich wurde geboren, als der und der Präsident war, und als ich klein war, war die Dürre und als ich geheiratet habe, war das Fährunglück, so musst du eine enormes Geschichtswissen haben, um herauszufinden, wie alt die Dame ist. Dann geht es weiter …. Auf die Frage, wie denn ihre Telefonnummer ist, damit wir sie für eine Spendenausgabe anrufen können, strecken sie dir alle ihr kleines Tastentelefon entgegen, und du musst dann aus dem Telefon herausfinden, wie ihre Nummer ist. Als mir das das erste Mal passiert ist, habe ich ziemlich dumm aus der Wäsche geschaut, aber nun, ich bin ja lernfähig.

IMG_0469Zur Reisausgabe muss ja jede Witwe dann den Erhalt des Reissackes gegenzeichnen. Das geht natürlich auch nur in wenigen Fällen mit Unterschrift. Die Mehrheit unterschreibt mit Fingerabdruck. In unserem Büro ist das Stempelkissen genauso wichtig wie ein Stift.

Wie schwer muss es diesen Frauen dann fallen, ihre Kinder in einer geeigneten Schule anzumelden, nicht nur finanziell, sondern auch administrativ. Wie können sie ihre Kinder bei den Hausaufgaben unterstützen und auf eine technologisierte schriftenbasierte Zukunft vorbereiten. It’s a long way to go!

Ja es ist schon alles ganz schön anders, als ich es kenne, aber genau das liebe ich ja so an meinem Job. Mein Tipp an alle: Sei offen, und du wirst ganz erstaunliche Dinge erleben.

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert